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Ein Leben für das Gemeinwohl und in der Gemeinschaft. Für sein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr hat Andreas Müller mindestens zwei gute Gründe.

Den frühen Nachmittag des 11. September 2011 verbringt Andreas Müller im St. Goarer Bootshaus. Der 28-Jährige ist Mitglied des Ruderclubs und hilft bei den Vorbereitungen für ein Fest, das hier später steigen soll. Plötzlich heult draußen die Alarmsirene. „Mein erster Gedanke war, dass die Kanaldeckel hochgekommen sind. Es hatte seit Tagen gegossen und wir mussten deswegen schon mal mit der Feuerwehr ausrücken“.

Wie er von der Einsatzzentrale erfährt, geht es jedoch nicht um Kanaldeckel. Diesmal hat der Regen Schlamm, Sand und Gestein auf die Bahngleise in dem engen Rheintal gespült. Daraufhin ist ein vollbesetzter Intercity bei St. Goar entgleist. Andreas Müller fährt sofort zum Spritzenhaus, um seine Einsatzkleidung anzuziehen. Unterwegs kommen ihm schon die Kameraden aus seiner Löschgruppe im Feuerwehrwagen entgegen. Obwohl er selbst im Privatauto sitzt, wird er überall durchgewunken. Jeder kennt ihn hier. Und jeder weiß, dass er zur Freiwilligen Feuerwehr gehört. Fünf Minuten später ist er an der Unglücksstelle.

 

Für die sprichwörtliche Schnelligkeit der Feuerwehr gibt es Vorschriften: Maximal acht Minuten dürfen zwischen dem Alarm und der Einleitung erster Maßnahmen vor Ort vergangen sein. „Unsere Löschgruppe“, sagt Andreas Müller mit erhobenem Kinn, „ist meistens schneller.“

Auch um die Lage vor Ort einzuschätzen, bleibt wenig Zeit. Zügig, aber ruhig und gefahrlos arbeiten, darauf kommt es an. Teamgeist und Tatkraft sind gefragt. Um eine klare Trennlinie zwischen Beruf und Privatleben zu ziehen, siezen sich die Feuerwehrleute bei einem Einsatz. „Für Außenstehende wirkt eine solche Situation ziemlich chaotisch. Doch bei uns weiß jeder schnell, was er zu tun hat“, erklärt Andreas Müller. Als er ankommt werden die Zuginsassen gerade über eine Leiter evakuiert. Er übernimmt ihre Betreuung, beruhigt verängstigte, verstörte Menschen und erklärt ihnen das weitere Vorgehen. Zwischendurch meldet er die aktuelle Lage per Funk mehrfach der Einsatzzentrale.

 

Neben der Feuerwehr sind auch Bundespolizei und andere Rettungskräfte anwesend. „Nachdem die Verletzten abtransportiert worden sind, haben wir uns darum gekümmert, die übrigen Reisenden, vor allem die Kinder, möglichst rasch ins Trockene zu bringen.

Zu dem Zeitpunkt wusste noch keiner genau, wie viele Menschen überhaupt im Zug waren und wie viele Verletzte oder gar Tote es gegeben hat.“ Erst später stellt sich heraus, dass alle überlebt haben und dass nur 15 der rund 800 Fahrgäste verletzt sind. Als sie nachher wieder im Auto sitzen, kehren die Feuerwehrmänner zum „Du“ zurück. So ein Großeinsatz hinterlässt Spuren auf der Seele. „Es tut gut, danach miteinander zu reden. Ganz privat.“

Andreas Müller ist eines von 24 Mitgliedern der Löschgruppe St. Goar-Biebernheim. Zur Freiwilligen Feuerwehr kommt er erst spät. Als er mit 25 Jahren einsteigt, sind etliche seiner Freunde bereits seit Langem dabei. Die meisten von ihnen haben schon mit zehn Jahren in der Jugendfeuerwehr angefangen.

 

Die Einsatzkleidung muss für Andreas Müller nicht extra angefertigt werden. Hose und Ärmel gekürzt, das war's

Obwohl ihn viele gut kennen, sorgt seine Bitte um Aufnahme zunächst für Irritation. „Anfangs waren einige Kameraden schon etwas skeptisch“, verrät Löschgruppenführer Hans Georg Arend. „Ich habe Andreas dann gebeten, sich vom Arzt seine Tauglichkeit bescheinigen zu lassen.“ Der Mediziner hat keine Einwände. So wird der 1,30 Meter große Andreas Müller Anwärter und zwei Jahre später ordentliches Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Anders als bei der Berufsfeuerwehr wird hier keine Mindestgröße verlangt. Falls eine solche für eine bestimmte Aufgabe tatsächlich benötigt wird, stehen dafür ja genügend Kameraden bereit.

Anerkennung findet er auch bei seinen Kollegen vom Löschzug. Schon bald verkehrt sich deren anfängliche Skepsis ins Gegenteil, sehen die anderen ihn als Bereicherung. Er engagiert sich bei der Betreuung und Schulung der örtlichen Feuerwehrjugend, pflegt die Internetseite der Löschgruppe, übernimmt administrative Aufgaben und kann gut mit Menschen umgehen. Und manchmal bietet seine geringe Körpergröße sogar Vorteile. Zum Beispiel, wenn es gilt, Verletzte aus einem Autowrack zu befreien. Ausprobieren musste er das bislang noch nicht, doch er ist darauf vorbereitet.

 

Mit seinem Löschgruppenführer Hans-Georg Arend versteht sich Andreas Müller gut. Bei der Arbeit und auch privat.

 

Bei der Feuerwehr ist er es, der andere aus prekären Lagen erlöst. Der Brände löscht, Wespennester entfernt, Katzen aus Baumkronen rettet, überschwemmte Keller leer pumpt, sich um die Entfernung umgestürzter Bäume und um die Sicherung havarierter Schiffe kümmert. Sieben Einsätze waren es allein im September. Menschen helfen zu können, das ist einer der Gründe, weshalb Andreas Müller für seine freiwillige Arbeit eine Menge Zeit investiert. Auch wenn es nirgendwo „brennt“, gibt es viel zu tun. Er hält Vorträge für den Nachwuchs, besucht Fortbildungen, trifft sich zwei- bis dreimal pro Monat mit den Kollegen, um den Ernstfall zu simulieren, sich gegenseitig zu schulen, so dass alle auf dem Laufenden bleiben. Spannend an der Feuerwehr findet er, dass jede Aufgabe völlig anders sei als die andere. „Es gibt immer wieder neue Situationen und Herausforderungen. Helden sind wir aber nicht. Feuerwehrmänner, die sich todesmutig allein in die Flammen stürzen, gibt es nur im Film. Davon abgesehen, dass so etwas gar nicht erlaubt wäre.“

Neben der Arbeit ist es auch die Gemeinschaft, die die Gruppe zusammenhält. „Man ist halt befreundet mit den Kameraden. Wir können uns aufeinander verlassen, wir helfen uns, wenn Not am Mann ist.“ Andreas Müller ist einer, bei dem sich andere gerne Rat holen, beruflich wie privat. Abends hängt er mit Freunden und Kameraden öfter im Gasthof „Rebstock“ ab, an den Wochenenden fahren sie hin und wieder zusammen in die Disco. Mindestens einmal im Jahr machen Mitglieder der örtlichen Löschgruppe einen Ausflug in die Großstadt, etwa nach Hamburg, München oder Berlin.

 

Samstagsmittags im Gemeinschaftsraum des alten Spritzenhauses. Die heiße Suppe tut gut. Anschließend wird wieder weiter renoviert.

 

Ein letzter Handgriff und der Helm sitzt. Oberhalb von St. Goar wird der Ernstfall geprobt.

 

Seit ein paar Monaten widmet sich die Biebernheimer Feuerwehr einem weiteren Gemeinschaftsprojekt. Das örtliche Fachwerk-Spritzenhaus ist hübsch, aber auf Dauer zu klein. Ein neues Löschfahrzeug würde nicht hineinpassen. Daher arbeiten die Kameraden in ihrer Freizeit am Um- und Ausbau eines 100 Jahre alten Bauernhofs, der zum neuen Spritzenhaus werden soll. Die Umbaupläne stammen von Andreas Müllers Mutter, einer Architektin. In Biebernheim wird eben das meiste familiär und nachbarschaftlich geregelt. Auch die Verköstigung. Während die Männer am Samstagmorgen auf der Baustelle werkeln, bereiten ihre Frauen, Schwestern und Mütter abwechselnd das Mittagessen für alle. Diesmal gibt es Linsensuppe mit Bockwurst.

Die Renovierungsarbeiten dokumentiert Andreas Müller in einem Bautagebuch auf der Website der Löschgruppe. Auch über die gemeinsamen Ausflüge verfasst er Beiträge für die Internetseite.

 Abschließend ist ist zu sagen, dass das Höchstalter für die Freiwillige Feuerwehr 59 Jahre  beträgt. Wenn nicht gerade krank oder verreist, wird Andreas Müller also die nächsten 31 Jahre in Alarmbereitschaft sein. Was ihm die Zukunft sonst noch bringen mag, weiß er nicht. Aber er blickt ihr voller Zuversicht  entgegen.

 

Teamwork. Den Ausbau des neuen Spritzenhauses nehmen die Feuerwehrmänner in Ihrer Freizeit selbst in die Hand.

  Mehr dazu unter www.jugendfeuerwehr.de/1787-0-Inklusion.html

und www.aktion-mensch.de/foerderung


Quelle: MENSCHEN. das magazin/Aktion Mensch. Ausgabe 1.2012

Artikel: Astrid Eichstedt

Bilder: Eva Häberle

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